Immer mehr Kinder in Familienberatung
Verantwortliche vermuten unter anderem steigende Zahl an Trennungsfamilien als Grund für Zuwachs

von Aaron Dickerhoff

„Das macht mich schon nachdenklich“, gibt Norbert Thyen, Leiter der Familienberatungsstelle für den Landkreis Cloppenburg, zu. Dabei bezieht er sich auf die Entwicklung, dass die Menschen, die das Angebot seines Teams wahrnehmen, immer jünger werden. „Mittlerweile ist die Altersgruppe 6 bis 8 Jahre Spitzenreiter“, erzählt Thyen. „Bislang kamen immer am meisten Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren, also in der Pubertät. Seine Hypothese ist, dass dieser Wandel auf die stetig steigende Zahl an Trennungsfamilien und eine grundsätzliche gesellschaftliche Verunsicherung zurückzuführen ist.
Doch auch unabhängig vom Alter steigt die Nachfrage nach dem Beratungsangebot weiter an. 2024 hatte man insgesamt 1510 Klienten. Das sind fast 100 Fälle mehr als im Vorjahr. Die Menschen kommen dabei aus dem gesamten Landkreis Cloppenburg, wobei aber fast zwei Drittel der Fälle in der Cloppenburger Beratungsstelle behandelt werden, die seit Ende vergangenen Jahres im Vikar-Henn-Haus bei der St.-Andreas-Kirche zu finden ist. Ansonsten gibt es auch Außenstellen in Barßel und Friesoythe, da es dort ebenfalls hohe Fallzahlen gab. Seit September 2023 finden aber auch Beratungsgespräche in Räumlichkeiten des Copernicus-Gymnasiums Löningen statt. „Die Anmeldezahlen im Südkreis steigen stark an“, berichtet der stellvertretende Einrichtungsleiter Dieter Walf. Daher schaue man, ob man dort auch einen festen Außenstandort installiert.
Insgesamt sind im vergangenen Jahr Klienten aus 59 verschiedenen Anlässen zur Familienberatungsstelle gekommen. Auf Platz 1 liegt dabei das Thema Erziehungsunsicherheit, gefolgt von Störungen im emotionalen Bereich und Belastungen durch Problemlagen der Eltern. „Wir sind ein klassisches Beratungsangebot der Jugendhilfe“, sagt Dieter Walf. Therapien biete man nicht an. „Wir kümmern uns um das Problem, mit dem die Leute kommen“, erläutert Norbert Thyen. „Es ist im Grunde eine Hilfe zur Selbsthilfe.“ Zum Konzept gehört es also auch, das eigene Angebot möglichst überflüssig zu machen. „Wir ermutigen die Leute aber auch, wiederzukommen, wenn es Probleme gibt“, so Walf. Und darauf kommt rund ein Drittel der Klienten zurück.
Immer gefragter ist die Familienberatungsstelle bei Kindeswohlgefährdungseinschätzungen. Wenn beispielsweise Mitarbeiter von Kitas oder Schulen den Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung haben, kommen Mitarbeiter der Beratungsstelle zu den Einrichtungen und suchen das Gespräch. Im vergangenen Jahr kam das exakt 200-mal vor. Bei 63 Fällen davon kam es zu einer Meldung beim Jugendamt. Diese Einschätzungen nimmt die Beratungsstelle für das Kreisjugendamt vor und Norbert Thyen ist von dem Konzept durchaus überzeugt: „Ich glaube schon, dass das eine gute Vorgabe vom Gesetzgeber ist.“ Die Nachfrage wird also immer größer. Auch bei Polina Rekochynska, einer Psychologin aus der Ukraine, die für die Einrichtung arbeitet. „Da kommen wirklich viele Leute zu ihr“, so Walf.
Das Angebot ist also gefragt. Doch wie sieht es mit dem Rückhalt aus der Politik aus? „Ich glaube, dass der Landkreis sich seiner Verantwortung sehr bewusst ist“, meint Dr. Sebastian Vaske, Vorstand der Stiftung St. Vincenzhaus, Träger der Beratungsstelle. „Wir sind da gut mit dem Kreis aufgestellt.“ Auch Dieter Walf schätze die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und fühlt eine Wertschätzung. Und auch mit dem neuen Standort im Vikar-Henn-Haus, wo sich mehrere Beratungsangebote angesiedelt haben, sind die Verantwortlichen zufrieden. „Wir sind unfassbar froh, dass die Clemens-August-Jugendklinik mit uns umgezogen ist“, betont Walf. Aber auch mit dem Sozialdienst katholischer Frauen und dem Caritas Sozialwerk arbeite man gut zusammen.